Dieser Text ersetzt kein Gespräch!
Dieser Text ist auch keine Anleitung zum "Selbermachen" - das funktioniert nicht, führt erfahrungsgemäß zu Fehlern, die sich später nicht mehr ausgleichen lassen.
Immer dann, wenn im weitesten Sinn Medizinisches in einem Rechtsstreit maßgeblich ist, wird es besonders schwierig. Schließlich geht es dann immer um Gesundheit/Krankheit, in jedem Fall um Körperliches, sogar auch dann, wenn es um eine psychische Belastung geht. Oft entsteht gerade aufgrund der unmittelbaren Betroffenheit noch zusätzlich eine psychische Belastung.
Das alles erfordert eine andere Vorgehensweise, als wenn es um Arbeitsverhältnis, Mietvertrag, Kaufvertrag, Baurecht oder anderes geht, wo keine medizinischen Aspekte
zu berücksichtigen sind.
Das ist übrigens nicht nur bei ärztlichen Behandlungsfehlern so, sondern auch dann, wenn der medizinische Aspekt zum Beispiel in einem Sozialrechts-Streit oder auch in einem Strafverfahren maßgeblich
ist.
Deswegen ist es dabei immer sinnvoll und erstrebenswert, Gerichtsverfahren zu vermeiden. Ja, Sie lesen richtig: Gerichtsverfahren vermeiden. Das gelingt sehr viel
öfter, als man es erwarten würde, natürlich nur, solange man es selbst beeinflussen kann, z.B. als Geschädigter, indem man einen anderen Weg wählt anstelle eines rasch eingeleiteten
Klageverfahrens.
Es folgt eine Beschreibung für das Vorgehen im Arzthaftungsrecht:
In jedem Fall ist das Vorgehen ohne Gerichtsverfahren wesentlich schonender, und zwar sogar für beide Seiten. Natürlich wird sich ein Arzt bei Behandlungsfehlervorwürfen dennoch damit schwertun, das
einzusehen, und auch das ist verständlich. Aber auch einem Arzt oder einer Klinik nützt es letztlich, wenn diskretes Vorgehen dazu führt, dass es kein Verfahren vor Gericht gibt.
Mit immer mehr Erfahrung lässt sich eine solche Vorgehensweise immer weiter verbessern, und die Ergebisse bestätigen: Es funktioniert.
Schon bevor Sie aber überhaupt an anwaltliche Hilfe denken, ist es wichtig, keine Fehler zu machen. Es ist geschickter, sich beraten zu lassen, ohne zuvor einen
zukünftigen "Gegner" bereits auf die zu erhebenden Vorwürfe angesprochen zu haben. Dieses Ansprechen führt nur dazu, dass der Betreffende weniger kompromissbereit sein wird, schon allein deswegen,
weil es sehr schwer ist, in so einem Gespräch die eigene Stimmung und Enttäuschung zu verbergen.
Bei Arzthaftungsangelegenheiten ist der erste Schritt, die Behandlungsunterlagen anzufordern. Bitte tun Sie das nicht selbst, erfahrungsgemäß werden die Unterlagen dann neu sortiert, es werden
evtl. Stellen mit Textmarker gekennzeichnet etc. - und das erschwert es später, die Unterlagen auf Vollständigkeit zu überprüfen, zu kopieren und als Grundlage für den nächsten Schritt zu
benutzen.
Der nächste Schritt besteht darin, eine Begutachtung zu veranlassen. In erster Linie stehen dafür bei gesetzlich versicherten Patienten die Begutachtungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen zur Verfügung, die durch den jeweiligen Krankenversicherer veranlasst werden und für den Patienten kostenlos sind. Hin und wieder beginnt ein Krankenversicherer dieses Verfahren auch von sich aus. Das ist aber eher die Ausnahme.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Gutachterkommission bei der Ärztekammer einzuschalten. Hier gibt es Nachteile: Der betreffende Arzt muss dem Verfahren zustimmen. Bei der Begutachtung über den Krankenversicherer erfährt der Arzt gar nichts von der Begutachtung.
Beide Verfahren funktionieren nur so gut, wie die Vorbereitung ist.
Das kann auch ohne anwaltliche Hilfe gutgehen, aber das Risiko, dass der Sachverhalt nicht wirklich erfasst wird, dass wichtige Fragen nicht gestellt werden, ist groß.
Es ist eine sehr schwierige Situation, erklären zu müssen, dass Fehler nicht mehr oder nur noch eingeschränkt korrigiert werden können. Verpasste Chancen sind immer belastend, hier kommt die unmittelbare Betroffenheit der eigenen Gesundheit noch hinzu.
Je komplizierter das Behandlungsgeschehen, umso wichtiger und schwieriger ist die Zusammenstellung des Sachverhaltes und die Formulierung der Fragen, die nach einem ganz bestimmten Schema gestellt werden müssen, damit der Gutachter auch ganz sicher zu dem maßgeblichen Punkten Stellung nimmt.
Die Arbeit daran wird allerdings regelmäßig belohnt mit einem brauchbaren Gutachten, das es ermöglicht, dann in den sich anschließenden Verhandlungen mit dem Haftpflichtversicherer des Arztes zu einem zumindest annehmbaren Vergleich zu kommen.
Schließlich haftet der Gutachter auch selbst bzgl. seiner Tätigkeit bei der Begutachtung. Allzu viel Skepsis ist also auch nicht hilfreich, sofern vorher die Fragen
richtig herausgearbeitet werden.
Es reicht dabei aber nicht, kurz zu schreiben, was geschehen ist und was falsch gelaufen sein kann. Die eigenen Überlegungen sollten schon auch mitgeteilt werden. Noch dazu muss vorsichtig formuliert
werden, um den Gutachter nicht zu verärgern. Er ist schließlich selbst Arzt und kommt auch selbst in die Situation, dass ihn jemand mit Behandlungsfehler-Vorwürfen konfrontiert.
Selbstverständlich sollte man ohnehin niemanden verärgern, aber ungeschickte Formulierungen entstehen leicht, wenn aus eigener Betroffenheit eine Situation beschrieben wird, die nun zu Vorwürfen führt, die auch noch dazu beschrieben werden müssen.
Noch dazu werden die gestellten Fragen, ggfs. ergänzt durch Fragen des Krankenversicherers, ins Gutachten übernommen, und das Begleitschreiben wird dem Gutachtenauftrag beigefügt und ebenfalls von dem Gutachter ausgewertet.
Zusätzlich ist ein eigenes Gedächtnisprotokoll das Patienten wichtig. Dieses sollte auch noch abgestmmt werden, damit auch hier keine ungünstigen Formulierungen enthalten sind, die maßgeblichen Aspekte aber dennoch beschrieben werden.
Sollten keine eigenen konkreten Anhaltspunkte für einen Fehler zu finden sein, andererseits aber der Erfolg der Behandlung in ungewöhnlichem Maße ausgeblieben sein und sehr viele Komplikationen eingetreten sein, kann man natürlich auch eine Behandlung einmal allgemein überprüfen lassen. Hin und wieder finden sich dabei dann Fehler, die ohne Begutachtung niemals ersichtlich gewesen wären.
Die Gutachterkommission arbeitet anders, erstellt eigene Fragen, stimmt diese aber zuvor mit dem Antragsteller ab. Hier läuft das Verfahren eher ein wenig auch so, wie bei Gericht, mit regelmäßiger Gelegenheit zur Stellungnahme. Letztlich geht es aber immer um die Auswertung der Behandlungsunterlagen.
Deswegen ist das Vorgehen über den Krankenversicherer einfacher. Der Arzt erfährt nur dann davon, wenn der Krankenversicherer die Unterlagen anfordert. Es ist aber sicherer, diese Arbeit und die erste Auswertung nicht dem Krankenversicherer zu überlassen, der die damit verbundene Einsparung von Aufwand und Arbeit auch regelmäßig gern annimmt. Bei Feststellung eines Behandlungsfehlers können sich daraus auch eigene Ansprüche des Krankenversicherers ergeben, deswegen besteht hier regelmäßig ein Interesse an der Zusammenarbeit. Noch dazu hat man auf Patientenseite einen weiteren Ansprechpartner.
Es gibt sehr viele Einzelheiten, die man dabei beachten muss, damit solche Verfahren zur Begutachtung reibungslos ablaufen können.
Auch hier ist es einfacher, wenn die Begutachtung über den Krankenversicherer laufen kann, denn hier kann vorab ein Telefongespräch geführt werden, der Ansprechpartner festgestellt werden, z.B. geklärt werden, ob eine zusätzliche Schweigepflichtentbindung erforderlich ist, was regelmäßig der Fall ist. Die Erklärung wird dann zugesandt, ab den Patienten weitergegeben, unterzeichnet, zurückgegeben und den Unterlagen beigefügt. Das erspart zusätzliche Postläufe.
Alle diese Einzelschritte - es sind noch viel mehr Aspekte zu berücksichtigen - sind aber einem von einem möglichen Behandlungsfehler Betroffenen noch gar nicht bekannt. Als Patient das nun allein, ohne anwaltliche Hilfe, anzugehen, ist zum einen viel zu belastend, zum anderen besteht die Gefahr, Fehler zu machen und damit eine spätere Schadensregulierung wesentlich zu erschweren bzw. auch ganz unmöglich zu machen.
Die Gutachten fallen unterschiedlich ausführlich aus. Es kann bei dem Verfahren über den Krankenversicherer durchaus nur eine kurze Stellungnahme eintreffen, ebenso möglich ist ein ausführliches Gutachten, mit der Anregung, noch ein weiteres Gutachten einzuholen, wenn mehrere Fachrichtungen betroffen sind. Auf diese Weise können, wenn sich dann noch aus dem Gutachten neue Fragen ergeben, durchaus auch über 50 Seiten Gutachten-Texte entstehen. Es reicht nicht, das Gutachten einfach mit einer Schadensersatzforderung dem Haftpflichtversicherer des Arztes zuzuleiten. Es muss ausgewertet werden, ggfs. müssen Ergänzungsfragen gestellt werden, und schließlich das Ganze dann rechtlich eingeordnet werden. So kann es durchaus sein, dass ein Fehler festgestellt wurde, dieser aber keine ungünstigen Folgen hat, weil die Beschwerden auf andere Ursachen zurückzuführen sind. Dann fehlt es an der sog. Kausalität. Meist steht dies dann auch schon im Gutachten.
Solche Gutachten werden gelegentlich kritisiert mit der Begründung, sie seien falsch, oder der Gutachter kenne sich mit dem betreffenden Fachgebiet nicht genügend
aus. Mit etwas Erfahrung und eigener Recherche lässt sich aber feststellen, ob die Aussagen des Gutachters dennoch nachvollziehbar sind. Das hilft ausnahmslos immer weiter.
Wenn aufgrund des Gutachtens eine Erfolgsaussicht im Hinblick auf Schadensersatz besteht, geht es in der Bearbeitung weiter: Es wird ein ausführliches Anspruchsschreiben erstellt, in dem der
Behandlungsfehlervorwurf erläutert und mit dem Gutachten belegt wird, und in dem dann auch die Schadensersatzforderung gestellt wird. Dieses Schreiben erhält der Arzt mit der Bitte um Weiterleitung
an seinen Haftpflichtversicherer
Daran schließen sich die Verhandlungen mit dem Haftpflichtversicherer an, die in den allermeisten fällen mit einem Vergleich enden.
Auch bei dieser Vorgehensweise kann es Jahre dauern, bis es zu einem Vergleich kommt. Dennoch ist dieses Vorgehen schonender und erfolgsversprechender, als ein Klageverfahren.
Wenn nach dem Gutachten keine Erfolgsaussicht besteht und Ergänzungsfragen auch kein anderes Ergebnis bringen, kann noch überlegt werden, einen anderen Weg zu einer weiteren Begutachtung zu suchen. Hier hängt es in mehrfacher Hinsicht von der Situation des einzelnen ab, wie es weitergeht. Es kann auch sein, dass die Begutachtung eindeutig ist, so dass an dieser Stelle die Bearbeitung abgeschlossen wird.
In anderen Rechtsbereichen, in denen es ebenfalls um Medizin bzw. um Medizinrecht geht, ist es ähnlich: Der Sachverhalt muss gründlich aufgearbeitet werden, der medizinische Anteil muss evtl. mit Unterstützung eines Arztes analysiert werden.
Es lässt sich manchmal sogar vermeiden, dass es überhaupt zu einem "Streit" kommt, indem rechtzeitig Kontakt mit den Beteiligten aufgenommen wird und indem die
Situation geklärt wird. Da kann es auch einmal nötig sein, einem Dienstleister wir etwa Arzt, Physiotherapeut o.ä. zu erklären, auf was es ankommt, wenn er einen Bericht über seine Arbeit für den
Krankenversicherer schreibt. Gar nicht selten ist das einfach nicht geklärt. Dabei geht es nicht um den Inhalt als solchen, sondern um die anzusprechenden und abzuarbeitenden Aspekte. Wer nur
schreibt, wie er behandelt, und nicht, wie das Ziel aussieht und wie die Fortschritte aussehen, gibt nicht die erforderlichen Informationen. Schon an solchen Schnittstellen können
Rechtsstreitigkeiten entstehen, die es aber zu vermeiden gilt.
Vermitteln, Verhandeln, Kontakt aufnehmen, Fragen stellen, erläutern, beschreiben, auch mal etwas in verschiedenen Gesprächen regelrecht "erforschen" - das alles hilft.